Kategorien
Federleichtes zur Nacht Mystisch Phantastisches Tief in mir

„Der Dolch der Reinheit“ dystopische Kurzgeschichte / Prosa

Als er am Sonntagnachmittag seine Fahrradtour im nahegelegenen Naturschutzgebiet antrat, war er sich der Tragweite dieses Ausfluges und dessen wahrhaft einschneidenden Auswirkungen nicht einmal im Ansatz bewusst.

Er hatte sich gegen 15.00 Uhr auf den Weg gemacht, nachdem er seinen Drahtesel fast 40min wieder auf Vordermann gebracht hatte.Von der letzten Fahrt war noch einiges an getrocknetem Schlamm zu entfernen und besonders die Verschleißteile mussten erst einmal wieder richtig gesäubert und geschmiert werden.Die Strecke die er meist fuhr ging im wahrsten Sinne des Wortes über unwegsames Gelände, über Stock und Stein und über Feld, Wald und Wiesen.

Für heute hatte er sich vorgenommen, die Strecke intensiver als sonst wahrzunehmen um die Zeit in der Natur voll auszukosten.Er stand psychisch unter enormem Druck, da er als Personalchef eines mittelständischen Unternehmens derzeit bei unzähligen Kündigungsgesprächen anwesend sein musste.Die Firma hatte sich mit der Konkurrenz auf einen Preiskampf eingelassen, der nicht zu gewinnen war und war nun aufgrund massiv sinkender Absatzzahlen gezwungen, fast 1/3 der Belegschaft zu entlassen. Er hatte sich wochenlang auf diese Gespräche vorbereitet um für alle Betroffenen die bestmöglichste Lösung anbieten und verhandeln zu können.Seine Gattin und die 3 Kinder, im Alter zwischen 7 und 11 hatten ihn nur noch sehr sporadisch zu Gesicht bekommen und er hatte sich fest vorgenommen, nach dieser außerordentlichen Belastung die verlorene Familienzeit in vollen Zügen nachzuholen. Im Moment musste er sich, in der wenig verbleibenden Zeit neben dem Job, aber darauf konzentrieren, selbst bei geistigen Kräften zu bleiben. Die derzeitige Situation hatte ihm immens viel Energie gekostet, da er basierend auf seinem extrem ausgeprägten Gleichgerechtigkeitssinn und seiner überdurchschnittlichen Empathie gegenüber der teils Jahrzehnte langen Kollegenschaft bis ins Detail mit jedem einzelnen Schicksal mitlitt.

Also fuhr er heute eher gemächlicher und hatte bewusst sein Handy zu Hause gelassen, um keine geschäftlichen oder privaten Störfaktoren zu riskieren.Bereits nach wenigen Kilometern fühlte er sich der Natur und ihren Eindrücken so tief verbunden wie selten zuvor. Er nahm das Rauschen der Blätter ebenso intensiv wahr, wie das Zwitschern der Vögel und die Gerüche um ihn herum.Als er eine gute Stunde von daheim eine kurze Pause eingelegt hatte, sah er sich plötzlich einem unnatürlich raschen Wetterumschwung ausgesetzt.

Hatte ihn vor wenigen Minuten die Herbstsonne doch noch ziemlich ins Schwitzen gebracht, spürte er schlagartig zerrende Kälte, die sich wie eine Frostschicht auf seine Haut legte.
Diese schien aus den viel zu schnell aufgezogenen dunkelgrauen Wolken direkt nach unten zu ziehen.Als er nach oben sah hatte er das Gefühl als wären die Wolken mit rot glühenden Adern durchzogen und in ihnen schien etwas zu brennen.Dieser Anblick ließ ihn innerlich erschaudern und er beschloss, nachdem er seine Fließjacke übergezogen hatte, so schnell als möglich nach Hause zu fahren.

Als er, neben dem in voller Frucht stehenden Maisfeld, hektisch sein Fahrrad bestieg wurde er fast zu Tode erschreckt als hinter ihm ein Gegenstand ins Maisfeld fiel.Dieser musste ein gewisses Volumen gehabt haben, da der dumpfe Ton massiv wahrnehmbar war und der Aufschlag die Erde in seiner unmittelbaren Umgebung zum Vibrieren gebracht hatte. Er drehte sich abrupt um, konnte aber nichts erkennen, als neben ihm erneut etwas in das Maisfeld einschlug.Als er aus der Richtung des zweiten Aufpralls erst ein Wimmern und dann ein schmerzverzerrtes Flehen hören konnte, gewann nackte Angst vollends die Macht über ihn und er fuhr von Panik getrieben direkt auf das in unmittelbarer Nähe liegende kleinere Wäldchen zu.

Zwar hörte er hinter sich unzählige weitere dumpfe Schläge und bemerkte sehr wohl, dass das Wehen und Klagen immer lauter wurde, aber er hatte weder den Mut noch das Bedürfnis sich umzudrehen, um zu erfahren, was sich dort abspielte. Im selben Moment begann es zu regnen, glücklicherweise hatte er in diesem Augenblick das schützende Blätterdach des Wäldchens erreicht. Während er mit einer Hand an seiner Jacke nach der Kapuze griff um sich diese über den Kopf zu ziehen und um sich die ersten dicken Tropfen aus dem Gesicht zu wischen, stürzte er unmittelbar über eine Wurzel und kam direkt neben seinem Fahrrad zum Liegen.

Doch die Wurzel war nicht der Grund für seinen Sturz. Beim Abwischen der Tropfen im Gesicht hatte ihm der beißende metallische Geruch und die Erkenntnis, dass es begonnen hatte Blut zu regnen, sein Bewusstsein verlieren lassen. Als er kurz darauf erwachte, sah er sich einer kleinen Gruppe schemenhafter Gestalten gegenüber, die er durch die blutgetrübte Sicht nur sehr schlecht erkennen konnte. Bis jemand aus der Gruppe zu sprechen begann. Der Klang der Stimme war so rein und beruhigend, dass er trotz der subtilen Szenerie so etwas wie Wärme in sich empfand.

Was er allerdings hören sollte ließ ihm tatsächlich das Blut in den Adern gefrieren. Während er einerseits geschockt und andererseits fasziniert zuhörte, wurde diese unwirkliche Unterhaltung immer wieder von dumpfen Schlägen und schmerzerfüllten Schreien untermalt. Man erklärte ihm, es tobe eine grauenvolle, alles entscheidende Himmelsschlacht. Des Teufels Gesandten waren mit Hilfe eines abtrünnigen Engels in Scharen in das Reich der Reinen eingefallen und metzelten dort die unvorbereiteten Engel in einem fürchterlichen Blutbad nieder. Sie waren nun auf die Erde gekommen, um Mitkämpfer zu rekrutieren, die als letztes Bollwerk, dieser Schlacht eine Wende geben müssten, bevor das Reich dort oben fallen würde und Satan die Welt in ewige Verdammnis und blutige Finsternis stürzen würde.

Nachdem er versuchte diese Informationen irgendwie zu verarbeiten, erklärte er, er sei Familienvater und habe zuallererst die Verantwortung gegenüber seinen Lieben wahrzunehmen.
Eine andere Erscheinung aus der Gruppe erklärte ihm, dass es für niemanden auf der Erde ein Morgen geben werde, wenn die Schlacht verloren ginge, oder das Morgen, welches in Aussicht stünde, seine schlimmsten Alpträume übertreffen werde. Als wäre ein dramaturgischer Zusatz nötig um dem Gesagten Gewicht zu verschaffen, fielen mehrere ihrer Leidensgenossen in direkter Nähe in die Bäume und einige blieben schreiend und blutend in den Baumwipfeln und Ästen hängen.
Als einer der Engel direkt auf ihn zutrat und ihm aus strahlend weißen Augen unmittelbar in seine Seele blickte, erkannte er seine Bestimmung.
Er wollte sein Leben geben um das seiner Lieben zu retten.

In der Gruppe erhob sich nun ein warmes, weiches, flackerndes Scheinen und es wurde ein glitzernder Gegenstand an ihn herangetragen. Man teilte ihm mit, er müsse durch diesen Dolch der Reinheit ums Leben gebracht werden, so dass seine gereinigte Seele direkt einer von ihnen werden könne.
Er hatte seine Entscheidung getroffen und sein Entschluss stand fest. Als wenige Minuten später seine Seele den leblosen Körper verließ, dachte er an seine Lieben und begab sich mit einem der Gruppenmitglieder direkt in das Oberreich, um dort mit all den anderen gereinigten Seelen dem Heer der Dämonen gegenüberzutreten…!

Von Matthias Vago

Matthias M.G. Vago...

Geboren 1969 in Nürnberg, glücklich verheiratet und Vater einer wunderbaren Tochter, die mich stets aufs Neue staunen lässt, weil ich immer öfter erkennen darf, dass Sie nun mal der Spiegel Ihrer Eltern ist.

Als 53 Jähriger Angestellter, der seit der Lehrzeit im Außendienst unterschiedlicher Branchen tätig ist, hatte und habe ich fast täglich die Möglichkeit, besondere Erfahrungen zu machen und interessanteste Menschen kennen zu lernen.
Diese reichen in allen Bereichen, von A wie außerordentlich, bis Z wie ziemlich intensiv

Meine wundervolle Familie und die angesprochenen „Umwelterfahrungen“ haben mich geprägt, prägen mich und sollen mich unbedingt weiter prägen.
Denn so wird ein dichtes Leben noch dichter und intensiver.

Die Idee dieses Blogs ist es, von jenen Erfahrungen, Menschen und daraus resultierenden Prägungen zu berichten, Sie somit geistig zu komprimieren und zu verdichten und in einer möglichst leicht zugänglichen Reimform zur Unterhaltung darzubieten.
Die Gabe dazu hat mir meine geliebte Mama geschenkt, von der ich hoffe, dass Sie von irgendwo, irgendwie stolz auf Ihren Sohn blicken kann.
Ihr widme ich diesen Blog.

Grundsätzlich ist das Dichten aus dem Versuch heraus entstanden, Dinge, die mich beschäftigen und teilweise aufarbeiten, in Gestalt zu bringen um Sie für mich verständlicher und leichter zu verarbeiten,
umzuformen.
Wenn ich andere daran teilhaben lassen kann, sich zwischen Lachen, Weinen, Reflexion und Aufarbeitung, Wiedererkennung, Nachdenklichkeit, Zuneigung, Demut und Dankbarkeit treiben zu lassen, könnte ich es vielleicht schaffen, erlebtes Leben, verdichten zu können.

Mögen die Leserinnen und Leser Ihren Spaß daran finden mich auf dieser Reise zu begleiten und sich ab und zu dabei wieder zu finden.
Wichtig wäre mir in diesem Zusammenhang ein Austausch durch Kommentare, die beiden Seiten helfen, erlebtes noch weiter zu verdichten und weitere interessante Menschen kennen zu lernen, die wir bedingt Einfluss auf unsere Prägung nehmen lassen.

Viel Spaß und vielen Dank
Euer
MV

13 Antworten auf „„Der Dolch der Reinheit“ dystopische Kurzgeschichte / Prosa“

Da hast Du wieder eine wahnsinnig mitreißende, herzergreifende Geschichte geschrieben, die ganz viel von Deiner Persönlichkeit enthält lieber Matthias. Danke dafür 🙏🏻🙏🏻🙏🏻🤗🤗🤗

Wie immer sehr fesselnd geschrieben… mit einer tiefen Botschaft…! 👏🏻👏🏻🙏
Hier auf deinem Blog ist es so schön ruhig…Ich glaub ich schau hier wieder öfters vorbei…
Liebe Grüße Carmen 😊

Was für herzliche Zeilen, die meiner derzeitigen Wahrnehmung gut tun und die mich unglaublich freuen… ich hoffe es geht Dir gut und Du hast weiterhin die Möglichkeit, Deine Auszeit zu genießen… ich bin derzeit auch Instaenthaltsam, weil es mir etwas zu viel wurde… Dein Herzensprojekt ist sicherlich etwas ganz besonders geworden oder entsteht noch weiter… schau immer gerne hier vorbei, ich freue mich wenn Du mich hier besuchst ❣️😍

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert